02/07/2024 0 Kommentare
Neuland im Tränenmeer - Predigt am Ewigkeits-Sonntag von Pfr. Matthias Altevogt
Neuland im Tränenmeer - Predigt am Ewigkeits-Sonntag von Pfr. Matthias Altevogt
# Neuigkeiten

Neuland im Tränenmeer - Predigt am Ewigkeits-Sonntag von Pfr. Matthias Altevogt
Liebe Gemeinde,
still waren die letzten Tage mit einem lieben Menschen, der gehen musste. Tage des Abschieds, wo man leise redete, sich wichtiges sagte: Ich habe dich lieb. Danke. - Verzeih mir. - Du darfst jetzt gehen. Oder auch: „Still, er schläft jetzt.“ – Schließlich: „Sie hat es geschafft.“ Vielleicht waren diese Tage aber auch laut und unruhig. Ein Krankenwagen kam mit Blaulicht. Man ging auf einer Intensivstation ein und aus. Ärzte und Sanitäter ließen keinen heran in den letzten kostbaren Augenblicken.
Die Tage der Trauer sind still, weil es allen die Sprache verschlägt. Weil man Ehrfurcht hat, nichts Falsches sagen will. Behutsam ist gut. Aber bitte nicht einen Bogen um die Trauernden machen, nicht alles totschweigen oder weglächeln. Hiobs Freunde kamen sofort, als er Kinder bei einem Unglück starben. Sie schwiegen 7 Tage und 7 Nächte, aber sie waren bei ihm.
In den Trauernden ist es nicht still. Sondern Aufruhr und Unruhe. Was ist eigentlich passiert? Wie kann das sein? Was ist jetzt? Wie geht es weiter? Gefühle und Gedanken gehen durcheinader, widersprechen sich. So viel hat dieser Mensch für mich getan. So viel hat er mir mitgegeben, von dem ich lebe und zehre, Liebe, Erfahrung, Vorbild, Mut. So viel hat er mir angetan. So viel hat sie mir aufgetragen, was ich nicht erfüllen kann noch will. Gebote eingeschärft, Rätsel aufgegeben.
Viele Fragen sind in den Trauernden. Warum er? Warum nicht ich? Warum so? Warum jetzt? Was soll aus mir werden? Manchmal ist es zum Verrücktwerden. In anderen Ländern und Erdteilen darf man verrückt werden, schreien und laut weinen, sich die Kleider zerreißen. Als verrückt gälte dort, es nicht zu tun.
Damit die Stille nicht erdrückt, muss man Worte suchen, behutsam tastend. Wenn man es ausspricht, was drinnen ist, wird es leichter ums Herz. Wir werden gehört, gesehen mit unserem Schmerz.
In diesem Gottesdienst leihen wir uns die Worte der Psalmen, der Lieder, der Chorstücke, der Gebete. Probieren sie, lauschen, ob wir uns darin wiederfinden, ob sie ausdrücken, was in uns ist und ob sie heilsames in uns hineintragen. Lauschen, hoffen, warten, dass Gott selbst uns anspricht und tröstet. Sprich nur ein Wort, Herr, so wird meine Seele gesund.
- Musik -
Wenn jemand stirbt, können wir viel für ihn tun, um es ihr und ihm leichter zu machen. Beistehen. Wir sind aber auch hilflos, wie mit dem Rücken zur Wand. Es gibt kein Rechts und kein Links, kein Ausweichen mehr.
Die Erinnerung schaut weit zurück auf ein langes Leben. Aber nach vorne geht es nicht weiter. Der Weg mit dem lieben Menschen ist zu Ende. Wir sind in der Sackgasse, stehen vor der Wand, laufen davor. Die Toten sind unerreichbar. Eine Wand trennt uns, die wir nicht überwinden können. An dieser Wand kann man anklopfen, die Finger blutig kratzen, mit dem Kopf davor laufen, und sich doch nur wehtun, irgendwann erschöpft aufgeben. Wir sind getrennt für immer.
Als Jesus seinen Tod kommen sah, hat er sich von seinen Jüngern verabschiedet. Er hat ihnen ein tröstliches Bild hinterlassen:
In meines Vaters Haus sind viel Wohnungen. Ich gehe hin, euch die Stätte zu bereiten. Und ich will wiederkommen und euch zu mir nehmen, damit ihr seid, wo ich bin. Ich wiederkommen.
Am Ende kommt nicht der Sensenmann. Nicht der Tod tritt ein, sondern Jesus. Der Gott mit der menschlichen Gestalt. Mit dem menschlichen Gesicht. Der uns kennt und liebt. Der dich beim Namen nennt. Er sagt: Komm, wir gehen. Dorthin, von wo du ganz am Anfang einmal hergekommen bist. Wir gehen zum Vater. Er hat eine Wohnung für dich vorbereitet. Komm nach Hause.
Und wenn wir so angesprochen werden, dann werden wir uns das gefallen lassen, uns darein fügen. Wie ein Kind, das sich an der Hand nach Hause mitgeht, weil es schon müde ist. Und auf dem letzten Stück schläft es schon und wird getragen.
Es gilt auch für uns: Gott hat Raum für jeden von uns - Lebensraum.
Es gibt ein Leben nach dem Tod - für die Verstorbenen und sogar für uns Überlebende. Auch wenn es erst nicht danach aussieht, weil gerade die Welt untergegangen ist. Der Boden unter den Füßen fortgeschwemmt von den Tränen.
Ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde. Denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen. Das neue Land, das unser Gott für uns hat, taucht nur langsam auf aus dem Tränenmeer. Man muss die Taube mehrmals losschicken, bis sie den Ölzweig bringt. Am Anfang trennte Gott das Trockene von dem Wasser und nannte das Trockene Erde und das Nasse nannte er Meer. Dann konnte etwas wachsen.
Lebensräume sind da für dich und mich. Und eine Wohnung im Himmel.
Es ist ein einziges großes Haus, von Gott gebaut, das Himmel und Erde in sich aufnimmt. Lebende und Tote sind gut darin aufgehoben. Die Wand, an der wir uns reiben, vor die wir laufen, ist nur eine Wand im gemeinsamen Haus. Die Toten sind nicht unendlich weit fort. Uns trennt nur eine Wand. Und sie sind nicht tot. Sie leben. In manchen Augenblicken wird die Wand dünn, durchscheinend wie ein Schleier. Ein Fenster geht auf fü rieen Augenblick. Wenn wir am Grab stehen und mit den Lieben reden. Oder beim Abendmahl, wenn der Himmel über uns offen ist. Wir singen mit im himmlischen Chor um Gottes Thron mit allen Engeln und allen die vor uns heimgegangen sind. Sanctus dominus - heilig ist Gott der Herr.
Weißt du, wo der Himmel ist? Draußen oder drinnen? Eine Handbreit rechts und links, du bist mitten drinnen. Du bist mitten drinnen. Amen.
Kommentare