14/06/2025 0 Kommentare
Gott klebt keine Etiketten - Predigt am 15. Juni
Gott klebt keine Etiketten - Predigt am 15. Juni
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Gott klebt keine Etiketten - Predigt am 15. Juni
Liebe Gemeinde, als ich ein Kind war, konnte ich nicht singen. Ich war ein Brummer. Ein Brummer singt mit im Chor, aber trifft die Töne nicht. Während die Melodie die schönsten Bewegungen rauf und runter macht, brummt er immer auf demselben Ton herum, er merkt es gar nicht oder weiß er nicht, wie man es anders machen könnte. Immer wenn ein neuer Musiklehrer in die Klasse kam, und mit uns gesungen hat, dann fing der an die Stirn zu runzeln, so hätte er Zahnschmerzen. Und hörte dann ganz genau hin. Ich wusste, der sucht mich. Dann musste ich allein vorsingen und bekam mein Urteil: Du bist ein Brummer, du darfst nicht mitsingen. Ich konnte nichts dafür, aber ich habe mich geschämt. Ich hatte das Etikett Brummer weg und war draußen. Ich erinnere mich genau daran, wie schlimm sich das angefühlt hat, nicht das Brummen, sondern das ausgeschlossen werden.
Als ich an der Universität studiert habe, kam am Ende ein großes Examen, Prüfungen. Ein ganzes Jahr musste ich dafür lernen. Ich hatte Angst davor. Diese Angst wurde in den Monaten immer schlimmer. Schließlich konnte ich nicht mehr ruhig schlafen und habe kaum noch gegessen. Es wurde einfach nicht besser. Schließlich wusste ich: Ich schaff es alleine nicht, da raus zu kommen, ich brauche Hilfe.
Der Mensch bei der psychologischen Beratungsstelle der Universität hat dann gesagt: O bei ihnen ist es schon ernst, sie sollten eine Psychotherapie machen. unten. Ich hab mich geschämt, dass ich das brauchte und hab gedacht: Jetzt bist du ein Mensch zweiter Klasse, psychisch krank. Das Etikett wirst du nicht mehr los. Lange habe ich es niemandem erzählt.
Ich vermute, jede und jeder von uns hier weiß wie sich das anfühlt, irgendwo nicht dazu zu gehören. Ein Etikett tragen, das einen ausschließt. Es gibt viele Formen davon. Jetzt sind die Eisdielen und die Biergärten rappelvoll. Alle freuen sich am Sommer. Aber wenn man sich das nicht leisten kann, muss man daran vorbeigehen. Wenn man gefragt wirst: Kommst du auch mit, entschuldigt muss man sich entschuldigen. Keine Zeit. Bis es heißt: Die geht nie mit. Und die Einladungen ausbleiben.
Dann gibt es die Leute mit dunkler Hautfarbe. Denen passiert es, dass jemand fragt: Wo kommst du eigentlich? Und wenn sie dann sagen: Aus Lemgo, wie du. Hier geboren, hier sprechen gelernt mit lippischem Akzent. Und dann kann es passieren das der andere sagt: Nein, ich meine, wo kommst du wirklich her? Und meint womöglich: Du bist keine von uns, eigentlich gehörst du hier nicht hin. Und in den Medien liest man, eine Partei hat vor, Menschen wie ihn aus dem Land auszuweisen. Wie die Russlanddeutschen 1941 in die Waggons geladen wurden.
Wenn ein Junge merkt, er möchte sich gern die Nägel lackieren und Kleider tragen. Oder er verliebt sich nicht im Mädchen hat aber zärtliche Gefühle für andere Jungs. Und merkt, die Bezeichnungen die Worte dafür sind Schimpfworte auf dem Schulhof. Dann weiß, er muss sich verstecken oder damit rechnen, beschimpft und ausgelacht zu werden. Es ist gar nicht lange her, da wurden homosexuelle ins Gefängnis gesteckt oder zum Psychiater geschickt Es gibt Christen und Gemeinden, die betend um Heilung und schicken denjenigen zur Therapie zum Umerziehen. Das ist verheerend. In unserer Kirche dürfen erst seit 10 Jahren 2 Frauen oder 2 Männer heiraten und sich segnen lassen für ihre Ehe. In meiner Generation unter den Pastorinnen und Kirchenmusikern, die homosexuell sind, ist fast keiner in Lippe geblieben. Sie hatten Angst, dass sie in Lippe keine Stelle in einer Gemeinde finden würden oder sich verstecken müssen. Sie sind in Großstädte gegangen.
Jesus erzählt ein Gleichnis. Eine Geschichte, die zeigen soll, wie Gott ist. Gott ist hier ein Hausherr. Der lädt zu einem Abendessen ein. Etwas großes feierliches. Aber als der Tag kommt, sagen ihm alle Gäste ab. Die Entschuldigungen sind nicht echt. Ich habe einen Acker gekauft, den muss ich ansehen. Das verstehst du sicher. Wie bitte? Einen Acker kann man sich tagsüber anschauen, es eilt auch nicht. Abends ist Zeit zum Essen und für Besuche. Genauso der zweite, er hat 5 Paar Ochsen gekauft und muss sie sich ausgerechnet zur Stunde der Einladung anschauen. Man kann sicher sein, die stehen auch am nächsten Tag noch im Stall und fressen Heu. Der dritte ist noch krasser. Ich habe geheiratet, deshalb kann ich nicht kommen. Meint er, seiner Frau kann er diese Gesellschaft nicht zumuten?
Zunächst ist das eine exklusive Gesellschaft, die der Gastgeber eingeladen hat. Er ist nicht arm, er kann es sich leisten, groß einzuladen. Und seine Gäste sind auch vermögend. Leute, die Äcker kaufen und 10 Ochsen auf einmal, Leute die heiraten können. Aber sie wollen nicht kommen und sagen nicht ehrlich wieso.
Sie denken anscheinend: Du dachtest, du gehörst zu uns. Du hast dich geirrt. Du gehörst gar nicht zu uns. Auf deine Party kommen wir nicht. Bild dir nichts ein. So beschämen sie ihn. Er ist draußen.
Da wird der Hausherr zornig und sagt: Ich mach das jetzt ganz anders. Ich lade alle ein, die nicht dazu gehören. An denen die Party immer vorbei geht. Die ein Etikett haben: Wir müssen draußen bleiben.
Die lade ich jetzt ein. Die Armen, die nicht zurück einladen können. Die Blinden und Lahmen die man nur kennt als Bettler am Rand der Straße. Geh und lade sie alle ein, wie du sie auf der Straße findest sagt der Hausherr dem Knecht. Das habe ich getan, meldet er. Sie sind gern gekommen. Es sind aber noch Plätze frei am Tisch! Der Hausherr geht noch einen Schritt weiter. Überschreitet noch eine Grenze.
Geh aus der Stadt raus auf die Landstraße und auf die Felder, an die Hecken und Zäune. Lade die Fremden ein, die auf Reisen sind. Die Obdachlosen, die unter der Brücke wohnen. Die die noch arbeiten, wenn alle anderen schon Feierabend haben. Alle die hinter irgendeinem Zaun stehen und nicht dazu gehören.
Mein Haus soll voll werden. Jeder Zaun soll fallen; jedes Etikett wird umgetauscht in eine Einladungskarte. Kein muss draußen bleiben, alle feiern mit. So ist unser Gott, liebe Gemeinde. Darum erzählt Jesus diese Geschichte. Gott klebt uns keine Etiketten auf. Er stellt keine Zäune auf. Gott sagt nicht: Du musst draußen bleiben, Sondern, Bei mir bist du richtig. Ich habe dich so gewollt, ich brauche dich wie du bist in meinem großen Plan.
Egal wie es sonst ist, in deinem Leben: bei Gott gehörst dazu. Für dich ist Platz am Tisch. Du hast eine Einladungskarte. Das Etikett, das man dir umgehängt hat, wirst du in den großen Papierkorb am Eingang. Oder trägst es mit Stolz. Wir müssen bei Gott nicht in einen Rahmen passen, den irgendwer für normal erklärt. Wir müssen nicht über irgendein Stöckchen springen. Uns nicht verbiegen und nichts vorspielen.
Die Hummel brummt und da ist gut so. Die Nachtigall singt. Gott hat sie beide erschaffen. Es gibt die Christen und die Muslime und die Juden und die Hindus. Gott lässt es zu, dass die Menschen sich dem großen Geheimnis der Welt auf ganz verschiedene Weisen nähern. Wie kennen unseren Weg, Jesus Christus, die Bibel Andere kennen andere Wege. Gott ist es recht!
Er will nicht, dass wir erst alle Christen werden. Oder alle Heteros. Wir müssen nicht ganz klar in ein Schema passen. Gott liebt nicht die Zäune, er ist kein Etiketten-Fetischist. Gott liebt die Vielfalt, das Bunte und die Zwischentöne, die man nicht einordnen kann. Er hat sie erfunden! Er hat die Menschen so gemacht.
Alle haben Platz an seinem Tisch. Es ist Raum da und sein Haus soll voll werden!
Es gibt schon die, die nicht mit am Tisch sitzen. Das sagt das Gleichnis auch - als ernste Mahnung. Die, die sich selbst ausschließen. Die Zäune aufrichten, und Etiketten kleben. Die sagen: Du bist nicht richtig. Die schließen sich selbst aus aus Gottes Reich. Die wollen was Exklusiveres. Und das ist die Hölle. Für Gottes Reich sind sie sich zu schade. Sie lassen ihren Stuhl leer. Werfen ihre Eintrittskarte weg und dienen anderen Göttern. Ich muss meinen Acker besehen, meine Ochsen. Ja, du Ochse, tu das. Aber du verpasst die Party!
Meine Eltern fanden einen Kinderchor, da durfte ich mitsingen.
Solange bis ich´s konnte. Die Töne treffen und der Melodie folgen. Dieser Chor war die Singschule dieser Gemeinde. Mein Psychotherapeut sagte nicht: Du bist fertig. Sondern: Ja, es gibt einiges zu besprechen. Aber das wird. Und es wurde. Vor 10 Jahren, gerade als es erlaubt war, kamen zwei Frauen und wollten in unserer Kirch e heiraten. Der Kirchenvorstand hat sofort gesagt: Klar, das machen wir! Gestern war in Detmold ein bunter Umzug. Da haben sie sich gezeigt, fröhlich bunt und stolz. Männer, Frauen, und die dazwischen. Schwule und Lesben und es waren keine Schimpfwörter. Ihre Botschaft war: Wir sind wie wir sind. Wir schämen uns nicht. Wir verstecken uns nicht. Wir gehören dazu. Viele sind mitgegangen, die nicht in eine dieser Kategorien passen und das muss auch gar nicht. Es geht darum die Zäune niederzulegen, die Etiketten wegzuwerfen. Es ist noch Raum da für die Vielfalt auf unseren Straßen, in unseren Kirchen. Wo die Zäune fallen und die Etiketten umgetauscht werden in Einladungen. Da ist Gottes Reich, Es ist Platz an Tisch für jede und jeden. Du bist willkommen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
Pastor Matthias Altevogt
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