Klopfet an, so wird euch aufgetan - Predigt zum 19. Oktober

Klopfet an, so wird euch aufgetan - Predigt zum 19. Oktober

Klopfet an, so wird euch aufgetan - Predigt zum 19. Oktober

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Klopfet an, so wird euch aufgetan - Predigt zum 19. Oktober

Liebe Gemeinde, einmal im Jahr machen Freunde von mir eine Party, oft im November. Wenn die Einladung kommt, freue ich mich. Bald werde ich vor der Türe stehen und klingeln. Dann macht er oder sie auf, nimmt mich in den Arm. Ich zieh die Schuhe aus und hänge die Jacke an die Garderobe ganz wie zu Hause. Aus dem Wohnzimmer kommt gemütliches Geschnatter, viele Leute sind da, die mich freudig begrüßen. In der Küche auf dem Herd stehen zwei große Töpfe mit Suppe, Chili-con-carne im einen, Lauch-Käse im anderen. Später verwöhnen uns die Gastgeber mit Nachtisch und Kaffee.

So eine Feier ist ein Höhepunkt im Jahr. Aber bei diesen Freunden kann ich auch ohne Einladung auf einen Schwatz vorbei schauen. Und wenn ich mal echt in Not bin und brauche jemand zum Reden, diese Türe ist für mich offen.

Und wer weiß, wenn mich mal die Polizei suchen würde und ich müsste sofort ins Ausland, mit einem Koffer und viel Geld, sie wären eine der Adressen, wo ich klopfen würde und um Hilfe bitten.  

Das braucht der Mensch: Offene Türen, wo man anklopfen kann und wird aufgenommen. Safe space. Ein sicherer Raum, verschwiegene Zuflucht, warme Decke, Taschentuch zum Nassweinen.

Deshalb ist unsere Kirche offen. Sieben Tage in der Woche von 8 Uhr morgens bis es dunkel wird. Manche kommen hierher, auch manche die sonntags nie kommen, die keiner von uns kennt. Sie brauchen den geschützten Raum, allein sein, oder zu zweit sein mit Gott.

 Jesus sagt: Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid. Ich bin die Türe. Die offene Türe, zu mir kannst du kommen. Hier ist Gottes Angesicht, hier ist lauter Trost und Licht. Schaut ihn euch an, dort am Kreuz. Die Arme weit offen, um uns begrüßen, auch zu umarmen, wenn du es möchtest.

 Er weiß, wie es uns geht. Denn Gott schaut das Herz an, wo wir nur vor die Stirn gucken.

 Er weiß alles, was ein Mensch leiden kann. Er hat es gefühlt am eigen Leibe.

Alles was ein Mensch falsch machen und schreckliches anrichten kann, er weiß es. Er nimmt es auf sich und heftet es ans Kreuz, damit wir frei sind. Nicht mehr schamrot werden, sondern neu beginnen ganz neu.

 

Am vergangenen Wochenende war ich in Hamburg bei einem Seminar. Die Teilnehmer kamen aus ganz Deutschland und das Thema hatte nichts mit Kirche zu tun. Aber als eine Teilnehmerin hörte, dass ich Pastor bin, hat sie mir ihre Geschichte erzählt.

Ihre Eltern waren streng katholisch. Mit 9 Jahren vor der Erstkommunion musste sie zur Beichte. Im Gesangbuch gab es einen Katalog von Sünden, aus dem sollten die Kinder etwas auswählen, zum Beichten. Ein Punkt in dieser Liste war: Ich habe mich unzüchtig verhalten und befleckt.

Tja, da ging es um Sexualität. Immer schön die Hände über die Decke halten.

Mit 9 Jahren hat sie nicht verstanden, um was es da geht.

Nur dass es verboten ist und schmutzig und dass die Erwachsenen verdreht darüber reden. Später hat sie erfahren, dass der Pfarrer, bei dem sie beichten musste und den die Eltern sehr verehrten, andere Kinder missbraucht hat. Sie hat sich von der Kirche und auch von Gott ganz abgewandt. Sie fand keinen mehr Zugang dazu. Da waren Menschen keine Türen zum Glauben, sondern haben anderen den Zugang zu Gott verstellt. Traurig, aber sehr verständlich.

 

Im Johannes-Evangelium im 6. Kapitel hält Jesus eine berühmte Predigt: Die "Brotrede". Darin sagt er: "Ich bin das Brot des Lebens, das vom Himmel kommt. Wer von diesem Brot ist, wird leben - in Ewigkeit." Was für eine Einladung, eine weit offene Türe!

 Der Tisch gedeckt mit dem Brot des Lebens. Kommt, denn es ist alles bereit!

Schmeckt und seht, wie freundlich der Herr ist!

 

Aber am Ende der Rede sagen viele seiner Jünger, seiner Anhänger: Das ist ja unerträglich. Er übertreibt. Da komm ich nicht mehr mit. Es gab also anscheinend einen Wendepunkt, von dem an wandten sich viele von Jesus ab.

 

Heute muss unsere Kirche das auch erleben und aushalten: Viele treten aus, lassen ihre Kinder nicht taufen noch konfirmieren, ihre Toten nicht kirchlich beerdigen. Sie sagen: Da kann ich nichts mit anfangen. Die Türe ist weit offen, aber sie gehen vorbei. Kein Interesse. Nicht meine Türe.

Wir müssen das aushalten. Nicht nachlaufen. Nichts erzwingen. Herzen öffnet man nicht mit der Brechstange.

 

In der Familie und unter Freunden gibt es das auch. Einer macht zu und setzt sich ab. Braucht Luftveränderung, Abstand um zu wachsen. Manchmal muss man jemanden gehen lassen aus Liebe. Respektieren, dass er eine Grenze setzt und die Türe verschließt. Herzen öffnet man nicht mit der Brechstange.

Sogar Jesus musste das aushalten. Es ist ihm schwer gefallen.  

Er sprach zu den 12 Jüngern, dem engsten Kreis: Und ihr? Wollt ihr auch weggehen? Petrus antwortete: Herr, wohin sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens.

 

Die Tür zu unserer Kirche ist offen, jeden Tag. Die da an der Seite zur Stiftstraße. Die gegenüber zur Heustraße ist jeden Sonntag zum Gottesdienst auf. Die ganz große hinten, das Westportal ist zu. Diese Türe hat einmal zum Kreuzgang des Klosters geführt. Als dieser vor 200 Jahren abgebrochen wurde, hat man die Türe zugemauert. 2007 war die Klosters 700 Jahr her. Zum Jubiläum sollte die Türe wieder geöffnet werden,

Das Denkmalamt hat gesagt: Sie darf nicht jeden Tag geöffnet sein. Im Normalfall muss sie verschlossen sein. Denn sie war ja 200 Jahre lang zugemauert. Ein historischer Zustand, den darf man nicht aufheben.

Wenn ihr eine neue Türe baut, muss man ihr ansehen, dass sie lange zugemauert war.

Deshalb ist sie nicht aus Holz, sondern aus Beton gegossen, massiv wie eine Mauer und schwer zu aufzuziehen. Auf der Außenseite nach draußen ist nur glatter Stein. Kein Schloss, kein Griff, keine Klinke.

Bei besonderen Gelegenheiten geht sie auf: Bei einer Hochzeit oder Konfirmation. Zuletzt beim Gemeindefest. Sonst nicht. Wer davor steht sieht:

Diese Tür ist zu. Sie geht nur von innen auf.

 

Manchmal steht man im Leben vor einer verschlossenen Türe. Aber man will unbedingt  hindurch. Wünscht sich mit aller Kraft, dass sie aufgeht. Es ist kaum mehr auszuhalten auf dieser Seite vor der Türe:

Eine andere Arbeit oder Wohnung finden. Zugang zu einem Menschen finden, Versöhnung, Unterstützung, Liebe. Wieder gesund und stark sein!

Man tut alles dafür. Aber Die Türe ist zu und bewegt sich keinen Millimeter.  Unerträglich. Auch der Tod kann so eine Türe sein. Ein lieber Mensch ist da durch gegangen und nun unerreichbar.  Und ich vermisse ihn doch so schrecklich. Ich brauche sie doch so sehr.

Dann kann es sein,  dass einer sich die Finger wund kratzt an der Türe, den Kopf einrennt am Beton, auf Granit beißt. Es bringt nichts, es tut nur weh.

 

Was tun? Da hilft nur noch beten. Jesus ermutigt dazu in der Bergpredigt:

Bittet so wird euch gegeben! Klopfet an, so wird euch aufgetan.

 

Aber was heißt das? Ich habe mich ja vielleicht schon wund gebetet und müde geschrien. Bin verzweifelt, weil sich nichts tut. Klopf an, bitte! Das heißt erst einmal: Du kannst nichts tun. Es steht nicht in deiner Macht, die Tür zu öffnen. Nimm das an. Halt es aus.

Lass das kratzen und leg die Brechstange weg. Verbinde deinen blutigen Kopf.

Aber bleib vor der Türe. Dein Wunsch ist groß und wichtig. Nur: Nach dem Klopfen muss man warten, bis sich was tut auf der anderen Seite.

Vertrau, sagt Jesus: Einmal wird die Türe aufgehen. Gott wird sie öffnen, dann wenn er es für gut hält. Und was er für dich bereit hält hinter der Türe, wird dich überraschen und erstaunen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

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