Unverzagt über den Jordan gehen - Predigt zum Neuen Jahr

Unverzagt über den Jordan gehen - Predigt zum Neuen Jahr

Unverzagt über den Jordan gehen - Predigt zum Neuen Jahr

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Unverzagt über den Jordan gehen - Predigt zum Neuen Jahr

New York, an einer großen belebten Straße. Tausende Menschen und Autos kommen dort jeden Tag vorbei. Ein Laden für Zeitschriften und Zigaretten. Der Inhaber steht von morgens früh bis spät abends hinter der Theke. Aber jeden Morgen um 8 Uhr nimmt er seine Kamera, geht vor die Tür und macht ein Foto. Immer derselbe Ausschnitt: Straße, Laterne, Bürgersteig. Und die Menschen und Autos, die in diesem Moment vorbeikommen. Die  Bildern klebt er in ein Alben, immer vier auf einer Seite. Es sind viele Bände zusammengekommen. Auggie heißt der Ladenbesitzer. Die Fotos sind sein Hobby und Lebensprojekt. Ausgedacht hat ihn sich der Schriftsteller Paul Auster in einem seiner Romane („Smoke“). 

Liebe Gemeinde, stellen sich vor, sie hätten an jedem Morgen des vergangenen Jahres ein Foto gemacht, eine Momentaufnahme, vielleicht vom Frühstückstisch. Und würden heute die Fotos neben einander legen. Sie würden sich vermutlich gleichen. Jeden Tag dieselben Kaffeebecher, die Sets, Messer, Löffel. Käse, Wurst, Marmelade, die gewohnten Sorten. Kaffee oder Tee. Dieselben Gesichter. Ein Selfie, wenn sie allein frühstücken. Oder die ganze Familie. Im Hintergrund der Toaster, die Suppenkelle und ein Bild an der Wand.

Wenn man genau hinschaut, würde man Unterschiede erkennen: Mal brennt das Licht, da war es draußen noch dunkel. Später im Jahr war es hell vom Fenster. Mal sind die Gesichter müde und mürrisch, mal frisch und erwartungsvoll. Welche Morgende waren das? Vor einer Klassenarbeit? Am ersten Urlaubstag? Ausnahmsweise ist das Esszimmer zu sehen – ein Feiertag. Auf einem Foto sind andere Gesichter. Besuch ist da. Ein Baby ist größer geworden und hat seinen Platz im Kinderstuhl eingenommen. Jemand ist eingezogen in die Wohngemeinschaft. Von einem bestimmten Tag an fehlt ein Gesicht. Ein Kind ist im Schüleraustausch oder ausgezogen. Eine musste ins Krankenhaus und dann ins Heim.

Eine neue Tasse taucht auf, ach ja, die war ein Geburtstagsgeschenk. Jemand hat neue Sets angeschafft oder die Küche gestrichen. Das Bild an der Wand wurde ausgetauscht. Warum? Wer hatte die Idee? Oder die Szene ist völlig anders, du bist umgezogen. Und betrachtest noch jeden Morgen verwundert die neue Umgebung.

 

40 Jahre sind die Israeliten durch die Wüste gezogen. Wenn ein Fotograf dabei gewesen wäre – die Bilder glichen sich. Jeden Morgen das fade Manna, ein Schluck Wassser aus dem Lederbeutel. Sand, Felsen, ein einsamer Dornbusch. Mal streift ein Wüstenfuchs durchs Bild, ein Skorpion krabbelt vorbei. Nichts Neues unter der Sonne. Bis zu dem Tag, wo sie an den Jordan kommen. Der Fluß, an dem die Wüste aufhört. Dahinter ein  weites Land. Felder mit reifem Korn, Weinberge, Oivenbäume, Obstgärten. Feste Häuser, Dörfer, Städte. Das Land, in dem Milch und Honig fließen. Gott hat es ihnen versprochen hat als neue Heimat. Sie sind fast da. Nur noch über den Jordan.

Mose ist an diesem Morgen auf dem Bild zu sehen. Ein alter Mann. In Ägypten geboren, als junger Mann bekam er den Auftrag, sein Volk aus der Sklaverei zu führen in die Freiheit. Aufgewachsen im Luxus am Hof des Pharao musste er erst lernen, in der Wüste Schafe zu hüten, am Leben zu erhalten und dann ein ganzes Volk. Er hat Krisen erlebt: Als das Wasser ausging, als das Volk ihm und Gott nicht mehr vertraute und sich ein goldenes Kalb machte. Als Streit ausbrach, als sie von Fremden angegriffen wurden. Als ihm alles zuviel wurde und er auf Hilfe angewiesen war.  Das hat er alles durchgestanden. Er ist gereift, voll geworden an Erfahrung, Autorität, Entschlossenheit, Weisheit. Und nun ist er am Ziel: Da ist der Jordan.

Aber da hört er von Gott: Weiter kommst du nicht. Du siehst das Land, aber du wirst nicht mehr hineingehen. Es ist Zeit abzugeben - die Verantwortung in jüngere Hände. Du wirst nicht dabei sein, wenn das Volk in das Land zieht. Du gehst über den Jordan in ein anderes Land, das ich für dich bestimmt habe: Die Ewigkeit. Vorher lege Josua die Hände auf, er wird dich ablösen. Gib ihm deinen Segen.

da ist auch Josua auf dem Bild dieses Morgens, am Jordan.

Ein junger Mann, in der Wüste geboren, er kennt nichts anderes. Das fruchtbare Land ist ihm fremd. Wie den meisten im Volk, die nur die Wüste kennen. Er hat keine Erfahrung vorzuweisen. Nur das Zutrauen Gottes und des Mose. Er bekommt nun die Verantwortung für dies Volk und für den nächsten großen Schritt: Über den Fluss gehen ins unbekannte Land. Verheißungsvoll liegt sie vor ihnen - die fruchtbaren Ebene. Aber es macht auch Sorge: Wie lebt man dort? Wie bestellt man ein Feld? Wie macht man Wein und wie bäckt man Brot? Wie wird man sie empfangen, denn es leben schon Menschen dort, die warten nicht auf Fremde.  Josua muss den Fluss überschreiten. Erfahrung bekommst du nur durch Erfahrung. Die Angst wird mitgehen, aber sie soll nicht lähmen.

 

Wenn Sie so hinüberschauen in das neue Jahr, liebe Gemeinde, was sehen sie?

Vielleicht gibt es junge unter uns, deren Jordan heißt „Schulabschluss“ oder „Examen“. Und das neue Land: Lehre, Studium, soziales Jahr. Verheißungsvoll, lockend, aber auch etwas ungewiss. Wie geht das? Ohne Schulglocke leben? Eine Wohnung finden, eine Waschmaschine bedienen? Selber kochen? Wie findet man sich zurecht an der Universität, im Ausland? Wie findet man eine Stelle? Wie werden einen die Menschen aufnehmenn? Werde ich Freunde finden?Vielleicht heißt Ihr Jordan auch: Zusammenziehen mit einem Partner. Heiraten, ein Kind bekommen? Verheißungsvoll, aber wie wird alles werden?

Vielleicht sieht dein Bild vom Jordan im neuen Jahr auch ganz anders aus. Eher aus der Sicht von Mose. Es könnte heißen: Bis hierher, aber nicht weiter. Das geht nicht mehr. Da kommst du nicht mehr mit. Der Kinderwunsch wird sich nicht mehr erfüllen. Die Ehe ist nicht mehr zu retten. Mit dieser Krankheit musst du leben. Du wirst keinen Berg mehr ersteigen und vom Gipfel übers Land schauen, das machen die Knie nicht mehr mit. Du musst den Führerschein abgeben, bevor ein Unglück passiert. Manche Sehnsucht erfüllt sich nicht. Manches Land bleibt für immer verschlossen. Aber du darfst zurück schauen auf den langen Weg, den du gegangen bist.  Zufrieden und dankbar: Du hast auf Gipfeln gestanden! Jetzt kannst du jüngeren deinen Segen geben. Sie laufen lassen,  ihre Erfahrungen machen. Die Verantwortung übertragen, ihnen etwas zutrauen. Die machen das schon.

 

Liebe Gemeinde, schauen wir uns die Bilder noch einmal an vom vergangen Jahr, vom Frühstückstisch, von den müden Morgen und den aufgeweckten. Und die vorgestellten Bilder vom kommenden Jahr, von den neuen Landschaften die auf uns warten, von den Schwellen, über die wir gehen möchten, von den Grenzen, an die wir stoßen werden. Ist Gott auch darauf zu sehen? Am Jordan war er dabei. Man mus schon genau hinsehen. Die Wolke am Rande des Horizonts, der Feuerschein der Nachtwache. Er hat dreimal gesagt: Sei getrost und unverzagt. Zu dem jungen Menschen Josua sagt er es:  Sei getrost und unverzagt, wenn du über  den Jordan gehst in das Neuland. Denn der Herr, dein Gott, ist mit dir in allem, was du tun wirst. Mose hat auch angefangen wie du jetzt. 

Zu dem alten Menschen Mose sagt er es: Sei getrost und unverzagt, auch wenn du an deine Grenzen stößt. Alter ist nichts für Feiglinge und du bist kein Feigling. Sei getrost und unverzagt, sogar wenn du einst über den Jordan gehen musst in die Ewigkeit. Das ist ein gutes Land. Ich bin da. Du wirst sicher wohnen.

Ist er auch auf unseren Bildern vom alten und vom neuen Jahr zu sehen? Gott hat noch keiner fotografiert. Aber er ist jeden Morgen da. Und wird da sein. „Ich bin der, der ich sein werde.“ sagt er im brennenden Dornbusch. Er ist nicht auf den Bildern zu sehen, aber ich stelle mir vor, er blätte rim Album nach hinte und nach vorn ins neue Jahr. Schaut, was wir noch nicht sehen. Udn signiert die Fotos. Schreibt es unten in die Ecke, oben drüber oder auf die Rückseite. Sei getrost und unverzagt. Denn der Herr, dein Gott, ist mit dir in allem, was du tun wirst.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

 

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